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Praxistest: Nokia 6500 classic
- Datum:
- 15. 02. 2008
- Redakteur:
- Frederick Paul
Nokia versucht schon seit einiger Zeit, mit der classic-Serie Rekorde zu brechen. Wie aber stellt man einen Rekord in Gewöhnlichkeit auf? Wir haben uns das ultraflache 6500 classic genauer angeschaut.
Lieferumfang / Verarbeitung
Der extraschmale Karton verrät schon viel über die Form des 6500 classic. Mit aus dem Papp-Quader schlüpfen Ladegerät, Headset und Datenkabel - eine klassische Ausstattung für den klassischen Protagonisten dieses Tests. Beim 6500 ist also alles dabei - alles, außer Überraschungen. Die hat sich Nokia fürs Handy aufgespart: mit rekordverdächtigen 9,5 Millimetern Tiefe bleibt das 6500 classic unterhalb der psychologisch wichtigen 1-Zentimeter-Marke - da können nur ganz wenige Handys mithalten. Auch die Schwelle von 100 Gramm kann das Handy knapp unterbieten: nur 94 Gramm bringt es trotz der edlen Metallic-Hülle auf die Waage. Der äußerst hosentaschentaugliche Flachmann dürfte auch in der Hemdtasche kein allzu schwerer Begleiter sein. Die massive und metallene Bauweise weist zudem Fingerabdrücke ab, nur die Akku-Verschalung besteht aus Plastik im Klavierlack-Look und ist schnell mit Fettflecken übersät.
Die classic-Nokianer bieten Quasi das Gegenteil der hysterischen Walkmänner, im Falle des 6500 wahlweise in Bronze oder Schwarz. So bleibt die Außenwirkung zurückhaltend und beschränkt sich auf einige verchromte Rahmungen, bzw. Metallfräsungen um Ziffernblock und Display. Die Rückseite wirkt dagegen etwas unbeholfen: LED-Leuchte, Kameralinse und Außenlautsprecher bilden zusammen mit dem Nokia-Logo auf dem gebürsteten Aluminium ein etwas zusammengewürfeltes Ensemble. Da es keine seitliche Extratasten gibt, sind Ziffernblock und Softkeys harmonisch konzipiert, was zum minimalistischen Gesamteindruck des Schmalhans beiträgt. Ausnahmslos alle Tasten geben ein knackiges Feedback und bieten gleichmäßige Druckpunkte. Die Zifferntasten sind klein und eng übereinander konstruiert, eine winzige Finger-Rampe aus Metall hilft zwar dabei, jede Taste klar zu erfühlen, auf Dauer kann das aber schon mal das SMS-Tempo ausbremsen.
Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als gäbe es am ganzen Nokia 6500 classic keine Öffnung: der Akku lässt sich sehr einfach freilegen. Wie raffiniert auch immer ein Akkudeckel konstruiert sein kann, in diesem Fall ist die einfachste Lösung die beste: Das Handy wird ganz simpel auseinandergezogen, erst daraufhin löst sich die Verschalung wie ein Handschuh vom Gerät. Aus dem Staunen wird mitunter auch ein Schrecken, denn das USB-Kabel steckt so fest im Slot, dass es dem Gerät buchstäblich den Akkudeckel auszieht. Doch keine Sorge: im Normalgebrauch sitzt alles bombenfest an seinem Platz. So leicht scheint dem Metallgehäuse der Zahn der Zeit nichts anzuhaben.Das Display erstreckt über eine Diagonale von 2 Zoll und stellt reichhaltige 16 Millionen Farben auf 320x240 Pixeln dar. Eine manuelle Anpassung der Helligkeit über`s Menü hat man beim 6500 ganz bewusst weggelassen, denn die wird dank eines Sensors über dem Display automatisch an die Lichtverhältnisse der Umgebung angepasst. Da es transreflektiv ausgelegt ist, wird man auch an sonnigen Tagen keine Probleme mit z.B. dem Lesen einer SMS haben.
Ausstattung
Ein Mobiltelefon mit dem Zusatz "classic": dieser kleine Beiname wirkt im Hinblick auf multimediale Features nicht sonderlich aufregend. Soll das heißen, das Gerät kann alles, aber nichts richtig? Die Kamera ist zumindest kein Steckenpferd des 6500: 2 Megapixel (1600x1200 Bildpunkte) und eine fehlende externe Kamerataste machen sofort deutlich, dass Fotografie nicht im Fokus der Produktentwicklung stand. Da wundert's kaum, dass die Kamera trotz eines kräftigen LED-Blitz auf den unteren Rängen der Bildqualität rangiert. Auch in heller Umgebung beginnt das große Rauschen: überfüllt mit pixeligen Artefakten wirken Fotos fast schon wie Neo-impressionistische Gemälde. Videoclips kann man ebenfalls vergessen, 176x144 Pixel Auflösung sind allenfalls briefmarkentauglichj.
Der beste Klang ist für jeden eine individuelle Angelegenheit. Dem kommt Nokia mit einem ausgereiften Equalizer entgegen. Alle Frequenzbänder sind einzeln von mucksmäuschenstumm bis zum Anschlag aufgedreht skalierbar. Wer die rockigen Bässe etwas anheben möchte oder klare Höhen mag, wird auf dem 6500 classic seine Kosten kommen. Dank eines internen Flash-Speichers von 1GB passt eine Menge Musik auf den Klassiker - der kann allerdings nicht mit microSDs erweitert werden. Auch auf ein Radio muss man beim 6500 classic verzichten. Im Gegenzug bietet der Musikplayer eine ausgereifte Bedienoberfläche, die alle wichtigen Informationen von Interpret bis hin zu Albumcovern anzeigt. Auch die Medienbibliothek überzeugt: bei der Anwahl einer Kategorie, eines Interpreten oder eines Albums klappt die Liste ähnlich einem Ordner im Windows Explorer in derselben Ansicht nach unten hin aus. Das vereinfacht die Navigation erheblich, da nicht mehr zwischen verschiedenen Ansichten gewechselt werden muss.
Für den Preis des 6500 classic könnte man HSDPA erwarten, verbaut ist aber "nur" normaler UMTS-Funk. Im Praxistest erreichte die Verbindung 460 kBit/S. Das reicht aus - nicht nur, um seine Emails abzurufen, sondern auch, um einigermaßen zügig im Internet zu surfen. Der Opera Mini-Browser ist auf dem 6500 classic bereits vorinstalliert und das macht auch Sinn, denn die Eigenentwicklung von Nokia dient allenfalls noch der Vollständigkeit. Der Mini bietet wesentlich mehr Bedienkomfort: er zeigt Internetseiten zwar nur umformatiert im Kleinformat an, doch der Seitenaufbau klappt wesentlich schneller und zuverlässiger. Große Featurevielfalt sucht man hier zwar vergebens, doch ein einigermaßen reibungsloses Surfen ist durchaus möglich. Erwähnenswert ist die angepasste Startseite des Browsers, die zahlreiche Elemente übersichtlich auf kleinstem Raum darstellt: eine Auflistung der letzten drei besuchten Seiten, ein Link zu den Feeds, bzw. Lesezeichen, Wikipedia- und Yahoo!-Suche sowie das Eingabefeld für eine URL. Gute Voraussetzungen, um genau dort weiterzumachen, wo man aufgehört hat. Im Nahbereich kommt eine Verbindung über Bluetooth oder USB (beide 2.0) schnell zustande. Praktisch: für Audiogeräte ist eigens eine Suche eingerichtet, über die auch drahtlose Stereoheadsets mit A2DP in bester Empfangsqualität gekoppelt werden können. Wahlweise auch mit der Option, sich automatisch, also ohne erneute Bestätigung zu verbinden. Autofahrer freuen sich hingegen über die SAP-Unterstützung, dank der die Kfz-Freisprechanlage aufs Handy zugreifen kann. Egal, ob Synchronisation oder Backup der Daten, alles klappt auf Anhieb oder zumindest ohne größere Probleme. Basierend auf dem Windows Explorer richtet die Software sowohl Ordner für Musik, Fotos, Videos oder Audio-Aufzeichnungen als auch für Mitteilungen und Kontakte ein.
Beim Verfassen einer Nachricht bietet es sich an, aus dem Feld im unteren Bildschirm ein Bild, einen Sound, eine Visitenkarte oder eine Kalendernotiz gleich mitzuschicken. Dann wird aus der SMS eine MMS. Etwas teurer zwar, aber einfacher als mit der Ansicht von Nokias 6500 classic kann man die kaum verschicken. "Einfach" ist auch ein gutes Stichwort, wenn es ums Thema E-Mail geht. Der Installationsassistent übernimmt die Einstellungen größtenteils ohne Zutun des Nutzers, falls es sich um ein Postfach bei einem bekannten Anbieter handelt. Da muss nicht viel mehr getan werden, als auf der Loginseite im Netz: Benutzername und Passwort werden abgefragt. Einfach, schnell, gut. Unterstützt werden die allseits bekannten IMAP und POP-Postfächer. Etwas nostalgisch wird so mancher Nutzer, wenn er die Kalenderansichten des 6500 classic betrachtet. Solche Neonfarbkollisionen sind noch gut aus den Zeiten der EGA-Grafik (mit immerhin 64 Farben) bekannt. Wer schon des Öfteren die minimalistischen und doch aussagekräftigeren Darstellungen auf Handys von Samsung begutachten konnte, den erinnert diese Fünf-Minuten-Grafik seltsamerweise penetrant an den grenzenlosen Phantasieüberschuß karierter Schlafanzüge.Für die PIM-Verwaltung des Nokia 6500 classic wird der Platz auf dem Display bestens genutzt. Praktisch ist die Anzeige der Tagesagenda unter der Wochen- und der Monatsansicht. Zum Einsparen von Speicherplatz können alte Einträge nach bis zu einem Monat gelöscht werden - bei 1 GB internem Speicher ebenfalls nostalgisch.
In puncto Java hätten wir uns vom 6500 classic nach der starken Performance des 6120 classic deutlich mehr erwartet. Auf mehr Power für eine schnellere Navigation in den Menüs muss hier leider verzichtet werden. Glücklicherweise verabschiedet sich das System trotz einer geringen Javaleistung nicht allzu oft in den Urlaub. Trotzdem: kurze Verzögerungen und ruckelnde Menüanimationen lassen erkennen, dass 227 Punkte auf der JBenchmark2-Skala nur eben gerade noch ausreichend sind, um eine einigermaßen flüssige Menüdarstellung auf der S40-Plattform zu gewährleisten. Zusatztools auf einem Handy erleichtern des Öfteren den Alltag. Nicht nur Jogger gehören aufgrund der Stoppuhr zu den glücklichen 6500ern. Köche werden den Countdown nützlich finden, ein paar weitere kleine Progrämmchen erleichtern die Orientierung im internationalen Umfeld: Weltzeituhr und Umrechner sichern den Überblick über Zeit, Währung, und jede Menge Maße und Größen. Für kleinere Pausen kann die berühmte Schlange im Nokia-Klassiker Snake (III) durch den 3D-Parkour gesteuert werden, Sudoku hilft dem Zahlengedächtnis auf die Sprünge, Golf Tour versetzt den Gamer auf einen bewaldeten Golfplatz und in Backgammon dürfen Strategiemeister ihre Gehirnmuskeln trainieren. Fürs Erste dürfte das den geneigten Gamer zufrieden stellen, für noch mehr Spielspaßkönnte hingegen ein Blick auf unsere Website mit Handgames sorgen.
Telefonfunktionen / Ausdauer
Die Standbyanzeige des 6500 classic bietet eine alltagsfreundliche Mischung aus Schnellzugriffen und PIM-Integration. Eine frei definierbare Schnellzugriffsleiste bringt den Nutzer schnell zu dieser oder jener Anwendung und wer sich schnell was notieren möchte, kann das direkt auf der Standby-Anzeige tun - mit zwei Klicks ist die Notiz gespeichert. Der Leichtigkeit dieser umfangreichen Personalisierung steht allerdings eine unnötig verkomplizierte Menüstruktur entgegen. Logisch ist bei Nokia nicht gleich intuitiv: Wer den Zugangspunkt für eine Verbindung ins Internet einrichten will, stolpert erst nach langem frustrierendem Rätseln im Menü "Einstellungen/Konfiguration" darüber. Dort finden sich auch seltsame Bezeichnungen wie "Stand. i. all. Prog. akt." Damit wird der Standardzugangspunkt ausgewählt. Diese Liste könnte man eine ganze Weile fortsetzen, wir wollen aber lieber schnell das Thema wechseln und uns dem Menüdesign zuwenden. Das wurde schon vor etlichen Jahren entwickelt und auf dem Handy nahezu unverändert belassen. Die sieben Themes, die Nokia vorinstalliert, bringen auch kaum Abwechslung, da sie vor allem den Hintergrund verändern. Hier wird dem Nutzer im wahrsten Sinne des Wortes klassische Kost serviert. Situationsprofile wie etwa der Flugzeugmodus sind wie immer reichlich vorhanden und mit ein paar Klicks schnell umdefiniert und eingerichtet. Ein praktisches Novum: der programmierbare Timer achtet darauf, dass das Handy etwa nach der Besprechung von alleine aus dem Lautlos-Modus heraus findet. Die Profile können auch per Sprachsteuerung aufgerufen werden. Nach einer kurzen Anlernphase gelingt das ganz gut.
Beim Telefonieren gewährleistet Quadband-GSM weltweite Erreichbarkeit. Die Sprachqualität ist ausgewogen und wird kaum von Nebengeräuschen beeinträchtigt, das Fehlen von Lautstärketasten macht sich jetzt allerdings negativ bemerkbar, da sich Gesprächslautstärke nur umständlich über den NavKey regeln lässt. Mit einer grundlegenden Einschränkung muss der Nutzer allerdings leben: trotz UMTS-Connectivity fehlt die Frontkamera, Videotelefonate sind also nur in eine Richtung möglich. In puncto Empfangsqualität überzeugt das 6500 classic auf ganzer Linie, auch in empfangsschwachen Regionen dürfte sich das Barrenhandy demnach kaum Auszeiten gönnen. Die letzten Balken verliert das 6500 dann wohl auch selbst in diesem Falle erst im Weinkeller des Aussiedlerhofs. Der Akku kann hingegen keine Wunder vollbringen - verständlich bei den schmalen Abmessungen. Nokia presst eine Komponente ins Gehäuse, die mit ihrer Kapazität von 800 mAh schon erahnen lässt, dass keine Marathonläufe zu erwarten sind. In der Praxis sollte der utraschlanke Barren bei mäßiger Nutzung etwa drei bis vier Tage über die Runden kommen. In Anbetracht des nicht gerade üppigen Ausstattungsniveaus ist das kein überragender Wert.
Fazit
Auch wenn Nokia nicht das erste ultraschlanke Barrenhandy auf die Welt gebracht hat: dieser Vertreter kann sich sehen lassen. Die kühle metallene Oberfläche sieht nämlich genauso gut aus, wie sie sich anfühlt. Nokia schlägt mit dem eleganten Klassiker ganz neue Töne an - ein derart stylisches Design war man nämlich bisher nur von Samsung&Co. gewohnt. Nur hat Nokia etwas, was Samsung fehlt: S40 - ein flexibles Betriebssystem, das zwar nicht (mehr) besonders intuitiv daher kommt, sich dafür mit seiner umfangreichen Ausstattung auch bei der Business-Fraktion einschmeichelt. Und ohne viel Aufhebens liefert das 6500 classic einiges obendrauf, was Mann und Frau von Welt sonst noch so gebrauchen kann: einen 1GB großen Speicher, guten Sound und einen ebensoguten Musikplayer. Solide Telefonfunktionen und UMTS sind dann noch die i-Tüpfelchen auf der Allround-Ausstattung. Die Kamera ist die einzige echte Schwachstelle des dünnen Barrenhandys, auch die Ausdauer ruft zumindest keine Begeisterungsstürme hervor. Liebhaber von aufgeregtem Design, echten Innovationen und Handy-Thrill werden sich kaum ein 6500 classic zulegen - alle anderen können ohne Reue einen Blick riskieren.
Den ausführlichen Praxis-Test gibt es bei Areamobile
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